Würzig, bitter und süss – wie das Leben
Sam Berger sorgte mit seinem Wein aus Löwenzahnblüten für Furore. Das Geschäft lief bestens. Bis Sam den bitteren Geschmack des Lebens kennenlernen und die Produktion aufgeben musste. Vorerst...
Samuel Berger pflückt eine Löwenzahnblüte, steckt sie sich in den Mund, kaut und schluckt. «Schmeckt prima, herb und ein bisschen bitter.»
Dass man aus Löwenzahn – auf Berndeutsch «Söiblueme» – einen Wein produzieren kann, ist zwar nicht Samuel Bergers Idee, doch er hat sie aufgenommen und weitergesponnen. «Ich blätterte einmal in einem alten Buch und fand ein Rezept», erzählt Sam Berger. «Das habe ich ausprobiert. Da die ersten Flaschen dieses Weins bei meinen Testpersonen sehr gut ankamen und der Wein schnell verkauft war, habe ich weitergetüftelt und die Produktion professionalisiert.» Im Jahr 2006 gewannen er und seine Frau für den Söibluemewy den agroPreis. «Das war ein sehr schöner Anlass», berichtet Berger. «Ich habe die Preisverleihung in guter Erinnerung.» Und dann ging es richtig los. Presse und Fernsehen berichteten über «Sam’s Söibluemewy». Der Verkauf zog an. Samuel Berger zog durch die Lande und weibelte für sein Produkt.
Zwei Sorten Wein
Im Frühling mussten viele Leute aufgeboten werden, da die Ernte der Löwenzahnblüten aufwendig und anstrengend ist. «Angepflanzt habe ich keine», sagt Sam. «Wir zogen einfach über die Felder und pflückten die Blüten von Hand. Ich brauchte bis zu 600 Kilo Söiblueme, das ist eine riesige Menge.» Diese wurden dann mit Wasser, Orangen, Zitronen und Zucker vermengt. Hefe kam dazu. Nach der ersten Gärung wurde das Gemisch gepresst, der Sud einen Monat gelagert. Dann wurde gefiltert und wieder gelagert. Nach rund drei Monaten war der erste Wein fertig und konnte in Flaschen abgefüllt werden. Das war «Sam’s Söibluemetröpfli». Für eine zweite Sorte wurde der Wein noch für ein Jahr in einem Eichenfass gelagert. Daraus entstand dann «Sam’s Söibluemetröpfli Barrique». Beide Weine schmecken sehr kräftig. Süss und herb. «Und die leicht bittere Note stammt vom Löwenzahn», erklärt Sam. Er eignet sich ideal als Apéro- oder als Dessertwein.
Ob in Läden, in Restaurants oder im Direktverkauf – Sams Weine kamen gut an. Es war ein willkommener finanzieller Zustupf zu Sams klassischem Milchwirtschaftsbetrieb. Neben dem Wein begann Samuel Berger auch Likör und Käse mit Löwenzahn zu produzieren. «Ich schicke jeweils im Sommer eine Kuh auf die Alp und reibe dann meinen Käse mit Söibluemewy ein», erzählt er. «Der Käse bekommt dadurch einen wunderbar herben Geschmack.»
Des Lebens bittere Süsse
Doch der Erfolg brachte auch Bitterkeit: Die Eheleute lebten sich auseinander und trennten sich. «Das hat mich schon sehr mitgenommen», sagt Sam Berger. Es hat ihn so sehr beschäftigt, dass er die Produktion seines Wein erst einmal einstellte. Die Söiblueme blühten, wurden aber nicht mehr gepflückt. «Zum Glück habe ich noch einige Flaschen in meinem Weinkeller», sagt Sam. «Für meine Stammkunden habe ich derzeit genug.» Auch für die Leute, die bei ihm vorbeifahren und Wein degustieren und kaufen möchten, hat es noch. Ob allerdings Nachschub produziert wird, ist noch offen.
Privat hat der 43-jährige gelernte Landwirt und Zimmermann schon mal einen Neustart lanciert. Mit einer neuen Partnerin an seiner Seite wurde er zum dritten Mal Vater. Und auch die Söiblueme beginnen ihn wieder zu interessieren. Wenn er mal nicht mit seinen Kühen beschäftigt ist, nicht auf dem Feld ackert, nicht die Gemüsebeete pflegt, nicht im Haushalt werkelt oder sich für einen Moment von seiner Patchwork-Familie zurückzieht – dann sitzt er schon mal auf dem Balkon an einem Tisch, liest alte Rezeptbücher und heckt neue Ideen aus.