Die kreativen Brüder vom Ebnet
Ökowiesen sind im Trend. Und das bereits seit Beginn der Neunzigerjahre. Pioniere, die anfingen, Wildblumensamen zu produzieren, waren die Gebrüder Burri aus Lenggenwil. Auf nur vier Quadratmetern begannen sie, erste Wildblumen für die Samengewinnung zu kultivieren. Heute sind es mehr als vier Hektaren, welche mit Wildblumen bestückt sind.
Traumhaft schön liegt der Hof Ebnet in Lenggenwil auf einer Anhöhe – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Benediktinerinnenkloster St. Gallerberg. Die verschiedenen Gebäude auf dem Hügel, die Pappel neben dem Haus und die bunten Blumenfelder vermitteln das Gefühl, irgendwo in der Toskana unterwegs zu sein. Die spezielle Stimmung, die hier oben herrscht, verstärkt sich, als vom Säntis her ein Gewitter aufzieht.
Speziell ist es hier oben auch, weil man ein soziales Gefüge antrifft, das Seltenheitswert hat: Die Brüder Johannes und Christian Burri leben hier mit ihren Ehefrauen, beide haben vier Kinder. Dann gibt es eine Tante, die hier lebt, der Lehrling, die Praktikanten. Und die drei Festangestellten und diversen Stundenfrauen bewegen sich ebenfalls regelmässig und ganz selbstverständlich auf dem Gut, das einem gut organisierten Chaos gleicht. Dass hier kreative Menschen leben, die ihren Weg gehen und genau wissen, was sie wollen, fällt an jeder Hausecke auf. Irgendwo in einer Scheune stehen Teile von selbst gebastelten Leichtflugzeugen rum. Denn beide Brüder sind begeisterte Tüftler und Piloten. Seit 16 Jahren erhalten sie vom Bundesamt für Zivilluftfahrt eine Werkflugbewilligung. Diese gibt es nur, wenn jeweils Ende Jahr eine Dokumentation zu flugtechnischen Entwicklungen vorgewiesen wird. So hat schon ein fliegendes Auto, Burris «Fahrflugschwimmer», die Werkstatt verlassen.
Hühner, der Hofhund und Katzenmütter mit einer Schar Jungen gehen ein und aus, so ganz selbstverständlich, wie es die Menschen tun, die hier leben.
Keine einheimischen Samen
Da sind einerseits Christian und Claudia mit ihren Kindern. Sie bewirtschaften den Hof, melken die Kühe und schauen auf dem Bauernbetrieb allenthalben zum Rechten. Johannes, der ältere der beiden, arbeitet zu 80 Prozent bei der UFA als Ressortleiter «Wildblumen». Er und seine Frau Marlies sind es, die auf dem Hof den Ton angeben, wenn es um die Wildblumenkulturen geht. Natürlich helfen alle dort mit, wo Not am Mann ist, und doch sind die Aufgaben relativ klar verteilt.
Nicht immer alles klar ist, wenn die Brüder und ihre Frauen zu reden beginnen. Die vier plaudern drauflos, korrigieren einander, lachen, scherzen. Auf die Frage, wie es zur Wildblumenzucht gekommen sei, sagt Christian: «Wir wollten gerne beide hier leben, merkten aber, dass der Hof für zwei Familien zu wenig abwirft.» Johannes ergänzt: «Mir fiel auf, dass es kein einheimisches Saatgut gab, das für den Gartenbau gebraucht werden konnte.» Dies, obwohl sich eben Anfang der Neunzigerjahre ein regelrechter Trend zu Ökowiesen habe ausmachen lassen.
Der «totale Blumenfan»
Und so wurde die Idee geboren und das Projekt stetig erweitert. Bald erzielten sie den Durchbruch und machten von sich reden. Erst 1996 meldeten sie sich für den agroPreis an – gewannen und profitierten zusätzlich von der Publizität, die dadurch entstand. Heute führt Johannes jährlich zahlreiche Leute übers Gut, erteilt Kurse und klärt Interessierte auf, wie Wildblumen gesät und gepflegt sein wollen. Insgesamt 489 verschiedene Sorten pflanzen sie an und liefern die gewonnenen Samen an die UFA. Direktvermarktung ist kein Thema. Nur ab und zu produzieren sie auch Wildblumentopfpflanzen, welche sie je nach Gelegenheit direkt verkaufen. Johannes Burri sagt: «Ich bin ein totaler Blumenfan und spüre immer noch dieselbe Begeisterung wie zu Beginn. Es ist wunderbar, wenn das schönste Hobby auch Beruf ist.» Dass da jährlich mehrere Hunderttausend Pflänzchen gesetzt sein wollen, tut der Euphorie keinen Abbruch. Und müde, Innovationen zu finden, sind die Gebrüder Burri noch lange nicht. Christian hat es eben mit einer Krebszucht versucht. «Der Versuch ist wohl gescheitert», sagt er und lacht. «Dann suchen wir eben nach neuen Herausforderungen.»