Alle für einen – einer für alle
Bilderbuchwetter in einem wunderschönen Ferienort in Mittelbünden, gut gelaunte Bauern und ein Senn und eine Sennerin, die reihenweise Goldmedaillen erkäsen. Die Reise nach Andeer war mehr als ein schöner Ausflug. Es war ein eintauchen in ein Stück Heimat, das es unbedingt zu erhalten gilt!
Auf den ersten Blick ist es ein Widerspruch. Die sechs Parteien, bestehend aus fünf Bauernbetrieben und einer Sennerei, haben den Innovationspreis der emmental gewonnen, weil sie in ihren Bewerbungsunterlagen «erhalten statt wachsen» angaben. Auf den zweiten Blick wird klar, dass die Bauern von Andeer und ihr umtriebiges Käserpaar genau das Richtige gemacht haben. Statt nach der Taube auf dem Dach zu greifen, haben sie den Spatz in der Hand behalten, sich zusammengerauft und seither mit allen Kräften versucht, das zu erhalten, was vorhanden ist. «Wir wollen aus dem, was da ist, die grösstmögliche Wertschöpfung generieren», sagt Landwirt Andreas Melchior. Mit gutem Erfolg. «Uns geht es gut», so Melchior weiter, welcher der Milchgenossenschaft seit vielen Jahren als Präsident vorsitzt.
Harmonie und Toleranz
Die fünf Bauernfamilien bewirtschaften je eine Fläche von 35 bis 40 Hektaren. Viel dieser Fläche liegt über der Waldgrenze und wird nur extensiv genutzt. Durchschnittlich zwanzig Milchkühe mit Nachzucht, je nach Vorliebe einige Schafe, Ziegen, Alpschweine und Kleinvieh runden das Bild ab. Zudem betreiben die Bauern etwas Ackerbau, ziehen im Sommer aufs Maiensäss und bewirtschaften ihre Betriebe biologisch. Grundvoraussetzungen, die auch andere Schweizer Landwirte haben – und dennoch nicht so erfolgreich sind. Das Geheimrezept der Gemeinschaft in Andeer ist wohl, dass die Truppe so gut harmoniert und funktioniert. Schon während ihres Auftritts im Berner Kursaal im Jahr 2005, als sie ihr agroPreis-Projekt mit viel Charme und Witz vorstellte und nebst dem Hauptpreis auch den Saalpreis gewannen, zeigte sich eine Gemeinschaft, der es trotz grosser Arbeitsbelastung nicht an Witz und Freude am Leben fehlt. Gemeinsam hatten sie die Eingabe gemacht, gemeinsam gehofft und sich – nach dem klaren Sieg – gemeinsam gefreut und der Presse vorgestellt. Was ihrem Projekt neuen Aufschwung verlieh. Die 400000 Liter Milch, die in Andeer verkäst werden, sind Garant für beste Produkte. «Nach der Euphorie, die wir nach dem Gewinn verspürt hatten, befürchteten wir, in ein Loch zu fallen», sagt Andreas Melchior. «Die vielen Preise, die seither gefolgt sind, sind wie Kitt für uns – der Zusammenhalt wird immer grösser.»
Mehrfache Weltmeister
Dass die Leiter der Sennerei, das Paar Maria Meyer und Martin Bienerth, ein wenig erfolgsverwöhnt sind, zeigt ihre Medaillenbilanz: In den letzten acht Jahren heimsten die beiden siebzehn Medaillen ein – an Weltmeisterschaften, Olympiaden und anderen Wettbewerben. Ihr Auftritt ist immer mit der Bio-Knospe verbunden, wird von allen vorbereitet und mitgetragen – und entsprechend gefeiert. «Wir sind richtig geübt darin, unsere Sennen vom Flughafen abzuholen», scherzt Andreas Melchior. Und Martin Bienerth sagt: «Die Milchqualität ist halt einfach sehr gut.» Und er erläutert: «Wir sind ein überschaubarer Haufen. Die kleinste Abweichung wird bemerkt, und weil wir uns so gut verstehen, können wir reden, bevor schlechte Milch im Umlauf ist.» Da in der Sennerei vor allem Hartkäse aus Rohmilch hergestellt wird, ist es Grundvoraussetzung, dass die Milch einwandfrei ist.
Trotz all dem Erfolg, so richtig ruhen mögen die Bauern von Andeer und ihre Käser nicht: Die Sennerei möchte ein wenig grösser werden, weil sie an ihre Grenzen stösst. Die Bauern sind jeder Neuerung gegenüber aufgeschlossen und passen sich den Trends frühzeitig an. Eines aber ist gewiss: Leichtfertig werden weder Bauern noch Senner das aufs Spiel setzen, was sie in den letzten Jahren so erfolgreich erhalten und gepflegt haben: die optimale Wertschöpfung aus ihren Betrieben.
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